KAMPALA, UGANDA
Eine Seltenheit in den Elendsvierteln von Kamwokya in Kampala, der ugandischen Hauptstadt: Silvia ist 15 und hat bis jetzt noch keine Kinder. Noch überraschender ist, dass sie und ihr Partner Safer Sex praktizieren. Aber in Silvias Leben ist wenig Platz für Liebe. Sie lebt unter einer ständigen Bedrohung. Sie hat bis jetzt überlebt, weil sie nur vorsichtig kalkulierte Risiken eingegangen ist.
Silvia während des Gottesdienstes in ihrer Kirche
Silvia geht jeden Sonntag zur Kirche und bittet Gott sie zu schützen – vor einer Schwangerschaft oder einer HIV-Infektion. Sie befürchtet, dass es Männer gibt, die sie zu einer Zukunft verurteilen können, in der sie Babys gebärt, die Hausarbeit erledigt und krank wird.
Silvia hat eine weiche Stimme und redet sanft, aber sie lacht selten. Uunbewusst lebt sie in ständiger Wachsamkeit, sowohl die Gefahren als auch die seltenen Chancen immer im Blick.
Silvia geht nach der Schule nach Hause, wo sie mit
ihrem Mann Charles lebt
Groß und aufrecht, bewegt sich Silvia anmutig. Ruhig und direkt erzählt sie, dass sie sich entschieden hat, mit Charles zusammenzuleben, weil sie hungrig war, Kleidung und einen Platz zum Leben brauchte.
Es geht nicht um Betrug oder Böswilligkeit, sondern nur ums Überleben. Charles, ihr Partner hat die gleiche Einstellung.
„Ich war allein und brauchte Gesellschaft und jemanden, der sich um mein Haus kümmert.“ sagt er. Mit dem Geld, das er bei seinen Jobs als Aushilfsfahrer für die Minibusfirma der Stadt verdient hat er eine kleine 3x2 Meter-Hütte in Kamwokya gemietet.
Charles hat ein trauriges, unschuldiges Lächeln. Traurig mag er vielleicht sein, aber nicht unschuldig. Er hat es auch bis jetzt geschafft, weder Vater zu werden, noch sich mit AIDS zu infizieren.
Silvia hat keine Erinnerung an ihre Eltern und weiß nicht, was sie getötet hat. Sie wurde im Alter von drei Jahren Waise und kam zusammen mit ihren vier älteren Brüdern in die Obhut ihrer Großmutter auf dem Land. Als sie zehn war, nahm ihre Tante sie mit in die Stadt – in ein Armenviertel von Kampala. Hier verlief ihr Leben, wie bei vielen Mädchen in ihrem Alter üblich: Sie kümmerte sich um den Haushalt ihrer Tante. Im Gegenzug bezahlte ihre Tante ihre Schule. Ihre Probleme begannen mit der Pubertät.
Ihre Tante stellte Silvia als Kellnerin in ihrem Restaurant ein. Die Kunden durften sie auch begrapschen. Nachts, wenn die Gäste gegangen waren, beschwerte sich Silvia und stritt sich mit ihrer Tante, bis diese sie eines Tages schlug.
Als sie das Restaurant verließ, hörte ihre Tante auf, Silvias Schulgeld zu bezahlen. Silvia schloss sich einer Mädchen-Gang an, die die Nächte in einer Bar verbrachte. Sie schliefen, wo sie konnten, und aßen, was sie bekamen.
Dann traf sie Charles. Er bot ihr Essen und einen Platz in seinem kleinen Haus an, welches sie mit einem weiteren Paar teilen. Im Austausch achtet sie auf das Haus und kümmert sich um ihn. Sie mögen und respektierten sich – ein gegenseitiger Überlebenspakt.
Silvia und Charles vor ihrer Hütte
Jetzt studiert Silvia und Charles erlaubt es, weil „sie gut ist und immer zu Hause.” In einem katholischen Ausbildungszentrum im Kamwokya studiert Silvia Religion, reproduktive Gesundheit sowie Wirtschaftsenglisch und Sekretariatsarbeiten. Sie lernt zudem Schneidern, um etwas zu können, mit dem sie sich ein weiteres Studium finanzieren kann. Aber was wird sie studieren? Mit nur 15 Jahren hat sie schon all ihre Energie in ihre Ausbildung gesteckt. Sie ist zuversichtlich, dass sie ihren weiteren Weg in der nahen Zukunft finden wird.
Silvia bei einer Live-Vorführung beim LIFE CENTER,
einer lokalen NRO
